Was mich an der Hanse wirklich beschäftigt, ist dieser subtile Abdruck, den sie in Dialekt und Mentalität von Norddeutschland hinterlassen hat – oft unsichtbar, aber doch allgegenwärtig. Besonders auffällig auf Rügen, wo bis ins 20. Jahrhundert hinein das Ostniedersächsische Plattdeutsch in Dörfern und Städten gesprochen wurde. Viele Lehnwörter, etwa im rügenschen Wortschatz rund um Handel, Fischfang und Schiffbau, verweisen auf skandinavische, niederdeutsche und sogar slawische Wurzeln. Begriffe wie „Speicher“ oder „Kogge“ haben ihren Ursprung in jener Zeit, als der Austausch mit Lübeck, Visby, Bergen feste Alltagsrealität war.
Was viele unterschätzen: Die Hanse formte auch soziale Strukturen. Das zeigte sich lange im Selbstbewusstsein der Stadtbürger, etwa in Stralsund oder Barth, im offenen Umgang mit Fremden – es gab, trotz Konkurrenz, eine gewisse Weltoffenheit. Aber eben gepaart mit einer fast bockigen Eigenständigkeit, wie sie bis heute manchmal durchschimmert. Der „Stralsunder Kopf“ – man sagt ja, nicht ganz umsonst, dass dort alle einen Dickschädel haben – spiegelt das. Es war halt kein nahtloses Miteinander, sondern geprägt von Rivalität, Pragmatismus und gegenseitiger Neugier.
Übrigens, der plattdeutsche Handelsslang mischte sich da ständig neu – eine Hafen-Schnacksprache, die längst verschwunden ist. Ich hab mal alte Schiffsprotokolle aus Sassnitz von 1893 gelesen: Da tauchten Begriffe auf, die heute keiner mehr kennt, z.B. „Garnboot“ für kleinere Handelsschiffchen… lässt einen ahnen, wie sehr Sprache und Alltag verschmolzen.
Und noch was: Achtet mal auf die heutigen Märkte in Orten wie Bergen oder Putbus. Die Markttage samt Brauchtum basieren oft auf Traditionen, die schon im Mittelalter als Folge der Hanse etabliert wurden. Selbst der vielzitierte „Rügenmarkt“ an der Hafenkante von Sassnitz zieht in seiner Mischung aus regional und international irgendwie eine dünne Linie zurück zur Hansezeit... und trotzdem, das Gefühl für lokale Identität war immer Anker – trotz allem Wandel.