Beiträge von poet77

    Also, eins fällt mir immer wieder auf, wenn ich mit dem Rad (schön quietschend… ) den Ostseeküstenradweg entlangtuckere: Die Balance zwischen Entwicklung und Erhaltung ist auf Rügen tatsächlich wie das Jonglieren mit nassen Fischen – selten elegant und nie ohne Nebengeräusche.

    Kleine Idee – und vielleicht ein bisschen verrückt, aber trotzdem: Warum fangen wir auf Rügen nicht mal mit echten Modellquartieren an? Also, nicht wie „hier ein paar Reihenhäuser, da ein Parkplatz“, sondern wirklich konsequent nachhaltig, mit gemeinschaftlichem Stromspeicher, Carsharing für E-Autos und ’nem verpflichtenden Grünanteil auf jedem Flachdach. Als Vorbild könnte so ein winziges schwedisches Dorf herhalten, das ich mal besucht hab, da gab’s gemeinsame Werkstätten und sogar ein Feld, das die Nachbarschaft zusammen bestellt hat (ja, klang sehr romantisch… und die Tomaten waren erstaunlich lecker).

    Was die Bahn angeht, würd ich’s feiern, wenn endlich barrierefreie Übergänge zu allen Bahnhöfen kommen würden. Bin letztens Zeuge geworden, wie eine ältere Frau ihr Rad samt Einkauf durch den Schotter am Bahnhof Sagard bugsieren musste – das war nix. Vielleicht ließe sich auch mal eine Testphase mit Direktzügen nach Stralsund oder Berlin aufziehen, so in der Hauptsaison, einfach um zu sehen, wie viele den Zug statt das Auto nehmen würden… manchmal muss man Dinge ja einfach ausprobieren.

    Ach so, und ganz unterschätzt wird, wie dringend wir auf Rügen digitale Infrastruktur brauchen (selbst im „Netzfokus“ wird Binz immer noch ausgelassen, haha). Glasfaser zügig bis an den letzten Sandweg, wäre so ein kleiner Traum von mir, ehrlich. Nicht nur für uns, sondern auch, damit Leute, die Homeoffice machen können, überhaupt hierbleiben oder herziehen wollen – da gibts ja mittlerweile genug Freiberufler, die eigentlich aufs Land (oder Insel) wollen, aber das WLAN-Problem fürchten wie der Teufel das Weihwasser.

    Stellt euch mal vor: Man stapft frühmorgens barfuß durch feuchten Sand, die Möwen kreischen, und irgendwo zwischen Kiefernwäldern und windzerzausten Feldern liegt so ein ganz unscheinbarer Bauernhof… und genau dort, zwischen Gänseschnattern und einem fast schon vergessenen Duft nach Heu, zaubern die Leute ihr eigenes Rügener Frühstück auf den Tisch. Ich meine: Rügener Ziegenkäse, Honig aus den Salzwiesen, frische Apfelringe – alles vom Hof oder Nachbardorf. Wer braucht da noch ein überteuertes Hotelfrühstück? Schwöre, so wird Essen zum kleinen Inselabenteuer. 🌾

    Was ich auch immer wieder spannend finde: Auf Rügen gibt’s seit ein paar Jahren so kleine Foodtrucks und improvisierte Straßenstände, grade im Sommer. Die parken dann plötzlich irgendwo an der Alleenstraße oder auf ’nem Feldweg, und bieten zum Beispiel Kartoffelspalten mit wildem Kräuterquark an, oder selbstgemachte Marmeladen und Schafswurst. Einmal bin ich in so ein improvisiertes „Picknick am Feldrand“ geraten – ein paar alte Tische, Decken, alles ganz zufällig… Das Essen war simpel, aber irgendwie besonders, weil die Zutaten direkt aus der Umgebung kamen. Hat noch jemand sowas erlebt? Oder weiß, wo diese Stände auftauchen?

    Etwas, das ich unbedingt mal ausprobieren will: Es gibt auf Rügen wohl einige Fischer, die ihre Boote zum „Dinner auf See“ umfunktionieren – abends mit einer kleinen Gruppe rausfahren, gemeinsam Hering grillen, vielleicht mit ’nem Glas Sanddornsekt dazu. Muss nicht immer das Restaurant sein, oder? Rügen schmeckt manchmal am besten draußen, mit nichts als Wind, Wellen und ein paar Geschichten von alten Seebären… Bin gespannt, wie ihr das seht!

    Und noch ’ne schräge Idee: Hat schon mal jemand auf Rügen einen Kochkurs gemacht, vielleicht bei so ’ner älteren Insulanerin, die Geheimtipps für Sanddornkompott und Klützer Klöße verrät? Stelle mir das herrlich vor – bisschen wie Urlaub in Omas Küche, nur mit Inselausblick. Falls jemand so was kennt oder schon mitgemacht hat, erzählt mal!

    Vielleicht sind die Verkehrsprobleme auf Rügen nicht auch eine poetische Eigenlogik: Die Insel scheint stoisch zu flüstern „Langsam, ihr Landratten, hier tickt die Uhr anders!“ – aber kaum kommt der Sommer, tobt auf den Straßen ein Blechrhythmus, der jeden Badelaunigen an seine Geduldsgrenzen bringt.

    Mir sind diese abrupt endenden Radwege auch mehr als nur einmal begegnet – und zwar nicht nur körperlich (S-Kurve, Schotter, plötzlich Gehweg, zack – Bremsmanöver), sondern auch im Kopf: Ich frage mich, wer bei der Verkehrsplanung auf halber Strecke die Lust verloren hat? Vielleicht saß der Planer in Gedanken schon am Hafen von Sassnitz und hat den nächsten Hering inspiziert… 😉 Aber mal ernsthaft: Warum ist es offenbar so schwer, die Radwege mal zu Ende zu denken? Würde man das Radwegenetz systematisch erweitern, entstünde ein echtes Netz und kein Flickenteppich. Ich stelle mir vor, wie ein Radler von Dranske bis Putbus fahren kann, ohne alle 2 km ins Schlingern zu geraten – das wäre schon was. Apropos Schlingern: Mein letzter Versuch, Bergen im Feierabendverkehr zu umkurven, hat dazu geführt, dass ich zehn Minuten im Schneckentempo hinter einem Wohnmobilkonvoi hergezuckelt bin – ist das jetzt „Entschleunigung“ oder einfach nur ein verkehrsplanerisches Armutszeugnis?

    Was digitale Schilder anbelangt: Die Idee finde ich ziemlich naheliegend. Temporäre Info-Tafeln könnten zumindest ein paar „Geheimweg“-Abenteurer abschrecken, wenn’s in den Dörfern eh schon klemmt. Aber würde das nicht auch nur verlagern, statt lösen? Vielleicht sollten wir noch einen Schritt weitergehen und gezielt Shuttlebusse auflegen, die zwischen den Hotspots stranden – aber als Inselbusse mit mehr Platz für Gepäck, Fahrräder und meinetwegen sogar E-Scooter. Da wäre dann auch gleich das Ladeproblem eleganter gelöst, denn so ein Bus könnte an den wichtigsten Punkten Ladestationen ansteuern.

    Was haltet ihr denn davon, Park-and-Ride wirklich attraktiv zu machen? Auto stehen lassen z.B. in Rambin oder in der Nähe von Altefähr und dann weiter mit Rad, Bus oder E-Mobil? Vielleicht sogar mit Kombi-Tickets für Fähre, Bus, Fahrrad und Co.? Mein Gedanke: Je bequemer und alltagstauglicher, desto eher lassen auch „alteingesessene“ Autofahrer mal den Wagen stehen. Bin mir nicht ganz sicher, wie finanzierbar oder realistisch das ist – aber träumen darf man ja wohl noch.

    Würde wirklich gern hören, ob jemand schon mal Park-and-Ride auf Rügen genutzt hat oder ob das sowieso keiner macht, weil der Anschlussverkehr einfach nicht stimmt?

    Mir ist beim letzten Bummeln im Wind durch den Thiessower Hafenmarkt was ganz Absurdes aufgefallen: Zwischen den bekannten Fischbrötchenständen und bunten Sanddorn-Ständen tummelten sich plötzlich drei, vier neue Leute, die wilde Kräuter und „Algenpesto“ verkauft haben – und ich hab, ich geb’s zu, erstmal herzlich gelacht. Algenpesto, hier? Dachte echt, die wollen mich veräppeln. War dann aber der einzige Stand, an dem wirklich ’ne Oma aus Middelhagen ihre Gläser selber etikettiert hat und mir den Unterschied zwischen Seesalat und Blasentang erklärt hat… irgendwie hatte das mehr Herz als der x-te Rauchlachs-Dealer mit seinem Foodtruck.

    Bin mir da auch selbst nicht sicher, ob ich die superkommerziellen Stände meiden sollte oder ob die eben auch dazugehören – vielleicht macht gerade das Nebeneinander Sinn? Es menschelt einfach mehr, wenn’s mal schiefgeht mit dem Wechselgeld oder der Stand halb vom Wind weggeweht wird. Und wenn ein Markt zu glatt wird, fehlt was. Die krumm gewachsenen Mairübchen, wilder Knoblauch in Papiertüten oder Sanddornlikör, den du probieren musst, obwohl du keinen Schnaps magst… das ist’s, was ich eigentlich suche. Habt ihr solche „versteckten“ Überraschungen auf den Märkten gefunden? Oder gibt’s Tipps, wo ein Stand noch die Eigenheit der Insulaner spiegelt und nicht bloß zum touristischen Hochglanz-Event gemacht wird?

    Hab mich manchmal gefragt, ob nicht kleinere, thematische Mini-Märkte helfen würden: Wildkräuter-Wanderung am Jasmunder Bodden, Fisch-Tasting auf alten Kutterbooten im Hafen von Sassnitz, oder einmal im Jahr eine Nacht der Hausmannskost im Schatten der Kreidefelsen. Das würde vielleicht weniger die großen Ströme anziehen, aber mehr Seele zeigen, oder? Vielleicht braucht Rügen gar nicht noch mehr riesige Events, sondern mehr kleine, charakterstarke Begegnungen…

    Schon mal daran gedacht, den Sonnenuntergang nicht vom Land, sondern vom Wasser aus zu bestaunen? Ich meine, es klingt ein bisschen nach Klischee, aber: Rügen und Boote... das ist wie Sand und Meer. Es gibt tatsächlich einige kleine Bootsverleiher, die Kajaks oder Ruderboote für den Jasmunder Bodden oder auch – wenn man ein wenig Abenteuerlust mitbringt – für den Greifswalder Bodden vermieten. Man schaukelt dann so auf dem Wasser, die Sonne schmilzt am Horizont, und alles wird ein bisschen goldig-leise. Ehrlich, hab das mal gemacht, war fast kitschig und irgendwie sehr echt.

    Oder, ein bisschen schräger Tipp: Auf der Halbinsel Wittow, an der Uferpromenade von Dranske, gibt’s diese alten Buhnen (so Holzgerippe im Wasser, irgendwie Relikte), die stehen da und warten offenbar nur auf Sonnenanbeter wie uns! Da hab ich mich mal mit ner Thermoskanne Tee auf eine Buhne gesetzt – war windig, bisschen salzig auf der Haut, aber der Sonnenuntergang direkt übers Wasser, mit Blick Richtung Hiddensee, war völlig frei von Menschenmassen. Bin mir nicht sicher, ob das eigentlich erlaubt ist, da so zu sitzen, aber... hat niemanden gestört.

    Noch so ein Ding: Wer ein bisschen in die Bäume steigen mag – im Forst Prora gibt es einige alte Kletterbäume (kein offizieller Kletterpark oder so, eher „wilde“ Bäume mit guten Ästen). Da hab ich mal hochgekraxelt, paar Meter nur, aber mit dem Blick über die Baumkronen zum Meer... das hat was. Man fühlt sich wie ein neugieriger Kolkrabe. Gerade die Waldkante bei Prora Richtung Mukran – da ist die Sonne riesengroß und taucht das grüne Laub in richtig krasses Licht.

    Was meint ihr, sind die etwas ungewöhnlicheren Orte es wert, sich ein bisschen Aufwand zu machen? Wer hat vielleicht noch waghalsigere Ideen für Sonnenuntergang auf Rügen? (Und... falls jemand noch weiß, wo man abends guten Kuchen kriegt – her mit den Tipps! Kuchen + Sonnenuntergang = fast schon zu viel des Guten 😅).

    Ich muss mal ein bisschen querdenken: Statt erstmal von Wohnung oder Job zu reden – wie wär’s, wenn du deinen Blick noch woandershin schweifen lässt? Rügen ist ja nicht nur die Theaterkulisse mit Villen und Ostsee-Kitsch. Die Insel lebt (und überlebt) eigentlich durch ihre Zwischenräume: Nebensaison-Dörfer, irgendwo zwischen bröckelnden Bushaltehäuschen und wildem Apfelbaum, wo die Einheimischen wissen, wer du bist, bevor du selbst weißt, ob du hierbleibst.

    Ich würde mich einfach trauen, die Insel in ihrer Breite abzuklopfen, fernab der Postkarten. Setz dich mal in den Bus Richtung Wittow oder fahr mit dem Rad ins Hinterland, geh im November in einen Dorfkonsum nach Kaffee fragen, wenn’s draußen schon nach Kälte und Salz riecht… Das klingt schräg, aber du kriegst mit, wie die Leute hier wirklich ticken. Und: Manchmal ergibt sich gerade im Gespräch an solchen Orten ein Kontakt für einen Job (Bewegung steckt ja überall – auf’m Reiterhof, in kleinen Kurkliniken, oder wenn irgendwo ein alteringes Fitnessstudio einen neuen Chef sucht…).

    Rügen ist übrigens – das merkt man erst später – ein ziemlicher Prüfstein fürs eigene Durchhaltevermögen. Man ist hier schnell mal „der Neue“ und bleibt es länger, als einem lieb ist. Gleichzeitig: Es gibt auch die Momente, da fühlt sich das Leben so leicht und weit an wie der Blick über den Bodden bei Sonnenuntergang. Wenn du offen bist für neue Routinen und seltsame Alltagshelden (der Fischer mit der Klappertüte, die Hexe in Altenkirchen…), dann kannst du hier vielleicht sogar glücklicher werden, als du’s in der Stadt je warst.

    Ein letzter Randgedanke: Viele Insulaner glauben mittlerweile, ihre Insel werde „weggefiltert“ durch Zweitwohnsitze und falsche Urlaubsversprechen. Vielleicht wäre dein Vorteil, kein typischer Zugereister zu sein, sondern jemand, der sich wirklich einlassen will. Das merkt man – und das macht auf Rügen, ehrlich, oft den kleinen feinen Unterschied zum „Außenseiter“.

    Also… einfach mal treiben lassen, nicht abwarten, alles auf einmal zu lösen. Die Insel findet schon einen Platz für dich, aber sie testet ihre Leute auch ein wenig. Wer aber barfuß ankommt (innerlich reicht), darf auch bleiben.

    Also, ich schmeiße mal den Namen „Lobber Ort“ in die Runde – klingt jetzt fast wie ein Elbenwald aus irgendeinem Fantasyroman, dabei ist das einfach einer dieser fast vergessenen Zipfel im Süden von Rügen, total unscheinbar zwischen Feldern und Bodden versteckt. Da verirrt sich wirklich selten jemand hin, außer vielleicht mal ’ne Möwe mit Fernweh oder ein Hund, der gerade Ferien von seinem Hundeleben macht. Zwei-, dreimal hab ich da schon einfach nur am Schilf gesessen, die Füße ins Wasser, und außer dem Wind war da... niemand.

    Ist jetzt vielleicht ne blöde Frage, aber wieso rennen eigentlich alle immer nur Richtung Ostseestrand bei Binz? Im Süden, besonders zwischen Zudar und Palmer Ort, findest du lange Abschnitte, wo du gefühlt den Horizont für dich allein hast. Der Sand ist da nicht ganz so postkartenweiß, eher so ein bisschen gröber, aber das Wasser? Meist spiegelglatt, mit Bodden-Feeling. Ideal, wenn du den Hund ohne Leine laufen lassen willst (die Einheimischen nicken freundlich, wenn’s niemanden stört) – und FKK interessiert da wirklich niemanden, außer vielleicht die Kraniche.

    Für Wassersport? Na ja, SUP geht immer, weil keine großen Wellen. Fürs Kiten oder Segeln brauchst du bisschen Ortskenntnis – aber der Bodden ist gnädig mit Neulingen. Und irgendwer hat dort sogar mal ein altes Tretboot zurückgelassen (ob das schwimmt?).

    Ein kleines Extra: Am Streckelsberg, eigentlich eher Usedom, aber ich riskier’s mal, gibt’s manchmal so Momente, wo der Wind nach Salz und wilder Waldluft riecht... und das Gefühl, den ganzen Strand geerbt zu haben, stellt sich ein. Die Mühe, ’n bisschen abseits zu laufen, zahlt sich da echt aus.

    Wisst ihr noch, wie das klingt, wenn in Stralsund die Möwen über die Giebel flattern, während irgendwo eine Marktfrau halblaut auf Plattdeutsch schimpft? Für mich ist das sowas wie ein Echo auf die Hansezeit – nur dass der Duft von Hering und Salzheringen heutzutage meistens von Pommesfett verdrängt wird... Aber ernsthaft: Ich glaube, die Hanse hat uns weit mehr hinterlassen als ein paar alte Lagerhäuser am Hafen.

    Was die Verbindungen betrifft – da wurde auf den Koggen ja nicht nur Stoff und Holz verladen, sondern auch Ideen, Sprachen, sogar Moden. So ist das plattdeutsche „Tüdelkram“ vielleicht nur die kleine Schwester des schwedischen „krimskrams“ – die Händler, Handwerker, Seefahrer, sie haben Wörter getauscht wie Bernstein gegen Pelz. Sogar Namen und Redewendungen: Auf Rügen kannste heute noch Wörter hören, die es bis sonstwohin geschafft haben.

    Und beim Kulinarischen: Früher waren Salzhering und Stockfisch Grundnahrungsmittel auf der Insel, weil sie haltbar und transportierbar waren. Heute kommt der Fisch frisch vom Kutter, aber das gemeinsame Essen, das Feilschen, das Teilen – das hat sich erhalten, auch wenn jetzt Touristen statt Kaufleute am Tresen lehnen... Und dann diese gotischen Backsteinkirchen, die rauschen wie Segel im Wind – gebaut aus Ziegeln, die quer über die Ostsee geschippert wurden.

    Aber mal Hand aufs Herz: Ist die Hanse heute nur noch Geschichte oder steckt da nicht noch was Lebendiges in uns, diesem Dickschädeln und dem Hang zur Unabhängigkeit? Schlingert da irgendwo noch der Geist des alten Handels durch unsere Straßenfeste, die Märkte am Hafen, den Wunsch nach Austausch (wenn auch per E-Mail statt per Brieftaube)?

    Da stehe ich also, barfuß im kühlen Sand kurz vor Binz, und frage mich so ganz altmodisch: Was bleibt von den Rugiern, wenn der letzte Feriengast im Herbst das Licht ausmacht? Irgendwie haben die hier ihre Spuren besser versteckt als der Wind die Bernsteine nach dem Sturm. Ihre Geschichte ist voller Lücken, wie die Buhnen im Bodden, und doch – man spürt sie, wenn man abseits der Promenaden durchs Unterholz streift oder plötzlich auf einen Findling stößt, der irgendwie „zu ordentlich“ liegt.

    Das mit dem kollektiven Gedächtnis ist schon ’ne komische Kiste. In so mancher Schule klingt’s vielleicht noch nach: „Die Germanen, die Slawen, irgendwer dazwischen…“ Und die Rugier? Na, da schiebt sich zwischen Metapher und Schulbuch oft ein dicker Nebel. Klar, ist nicht so einfach wie bei den Wikingern mit ihren Drachenboot-Postkartenmotiven. Die Rugier sind quasi die Indie-Band des Altertums: Wenig Mainstream, aber für die Eingeweihten wahnsinnig spannend. Wer hat schon mal ein Rugier-Revival erlebt? Eben.

    Dabei gilt doch das alte Inselflüsterer-Motto: Was man nicht pflegt, wird von der Zeit zugedeckt. Und das ist ein bisschen wie mit diesen alten Geschichten über verborgene Schätze im Jasmunder Wald – die werden verschwinden, wenn keiner mehr danach sucht. Vielleicht wäre es wirklich Zeit, mal was Schrulliges zu machen: Einen Rugier-Wanderweg mit schiefen Holzschildern, die mehr Fragen stellen als Antworten geben. Oder einen dieser leise-melancholischen Dorfabende, bei denen Opa noch weiß, wo das Bodendenkmal wirklich liegt …und warum da niemand nachts hingeht.

    Wenn ich irgendwann Enkel habe, erzähle ich ihnen bestimmt nicht nur von Sassnitz und den Kreidefelsen, sondern auch von diesem Volk, das nie so ganz ankommen durfte – weil ihm das Schicksal (und später wir mit unserer Vergesslichkeit) einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Die Rugier könnten uns heute eigentlich zeigen, dass Identität nichts Festes ist, sondern wie die Küste: ständig im Wandel, immer ein bisschen neu, selten schwarzweiß.

    Vielleicht sollten wir uns alle mal einen Tag nehmen, so ganz ohne WLAN, und rausgehen – zwischen Hünengrab und Windflüchterkiefer. Einfach mal gucken, was sich da noch erzählen lässt… oder wenigstens nachdenken, wer hier eigentlich alles vor uns war. Ganz ehrlich, das wäre doch viel schöner als jedes neue Selfie vorm Kreidefelsen. 🕯️

    Schon mal richtig frühmorgens an den Kreidefelsen gestanden, wenn der Nebel noch wie Zuckerwatte in den Bäumen hängt – und dir so ein richtig ehrliches Rügen-Frühstück reingezogen? Ist jetzt vielleicht ne blöde Frage, aber ich finde, genau da fängt kulinarisches Rügen für mich an: Mit Herz und sehr viel „von hier“. Ich hab letzten September zum Beispiel einen uralten Gasthof in Vitt entdeckt (winziges Dorf, rote Dächer, Möwen kreischen…), wo es ein Frühstücksbrett gibt, das fast schon ein Inselporträt ist: Frischer Maränenaufstrich, wilder Apfelkompott mit Majoran und ein Roggenbrot, das ziemlich sicher auf keinem Supermarktregal dieser Welt landet. Kaffee? Klar – aber der wird mit Sanddornlikör serviert… bisschen schräg, aber irgendwie auch wach-machend. 🦤

    Was mich aber total überrascht hat: Die wenigen Lokale, die sich dem „Slow Food“ verschrieben haben, machen’s meist heimlich und ohne großes Brimborium. In Lancken-Granitz zum Beispiel ist so’n ehemaliges Pfarrhaus, wo sie Gemüse aus dem eigenen Garten mit gesammelten Wildkräutern kombinieren – da gab’s ne Karottencremesuppe mit Sanddornöl und frittierten Brennnesselblättern, das hat mich echt umgehauen. Ich feier ja sowieso, wenn Inselküche nicht nur alt, sondern auch mutig ist! Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Algen aus dem Greifswalder Bodden aus’m Salat was machen, das nach Meeresbrise UND Sommerwiese schmeckt?

    Ganz anderes Thema – aber hat jemand von euch schon mal an so einem Mitkoch-Abend auf Rügen teilgenommen? Ich war letzten Monat in einer urigen Kneipe in Groß Zicker, wo sich Einheimische und Gäste treffen, jeder bringt was aus dem Garten oder vom Strand, und dann wird spontan zusammen gekocht: Queller mit Bratkartoffeln, Dorsch in Salbei-Sahne, Apfelbrot aus dem alten Holzofen. Kein Menü, keine Etikette. Nur Geschmack, Geschichten und irgendwie ne ziemlich coole Crew. Würde ich jedem empfehlen, der nicht nur still am Tisch sitzen will – sondern wirklich ankommen will… naja, ihr wisst schon. 😬

    Mich interessiert da aber noch eins: Probiert ihr auf Reisen auch mal die ganz alten Rezepte oder ist bei euch nach Fischbrötchen Schluss? Wer hat schonmal Griebenschmalz mit Apfel und Zwiebel probiert oder Labskaus, der wirklich noch per Hand gestampft wird? Würde mich echt reizen, mal zu hören, was bei euch das schrillste Rügen-Gericht war, das am Ende gar nicht so abgedreht schmeckte, wie’s klang…

    Mich packt ja immer so eine Art Entdecker-Fieber, wenn ich an Rügen denke – als würde die Insel permanent ein paar Überraschungen unter dem Ostsee-Sand verstecken. Anstatt mich jedes Mal in die Promenaden-Schlange in Binz einzureihen (Eis in der einen Hand, Handy in der anderen, irgendwie immer ein bisschen verloren), bin ich irgendwann auf den Geschmack gekommen, Wege zu suchen, die auf keiner Postkarte kleben. Spaziergänge durchs Boddenland, wo die Luft diesen süßlich-schweren Geruch von Seegras trägt und nur ab und zu ein rostiger Kahn im Schilf dümpelt. Das fühlt sich mehr nach Abenteuer an als das klassische „Strandhandtuch an Strandhandtuch“.

    Beim Radfahren hab ich mal ’ne Route genommen, die so krumm und bucklig war, dass ich mehr über Wurzeln als über Menschen gestolpert bin (und ehrlich, das Herz schlägt dann ein bisschen höher, wenn’s plötzlich hinter der Kurve nach wildem Apfel duftet und der nächste Mensch irgendwo in der Ferne bloß ein Gerücht ist). Die kleinen, vielleicht auch etwas rostigen Dörfer – keine Souvenirshops, aber manchmal ein Opa mit Angel, der einen fragt, ob man nicht auch mal probieren will. Solche Begegnungen machen für mich den Reiz aus, statt nur Sehenswürdigkeiten abzuklappern.

    Und was den Sommertrubel angeht: Klar, wenn man zur Primetime hinfährt, serviert Rügen das volle Programm (Kabeljau mit Kindergeschrei, feuchte Pommes in Plastikschalen – alles inklusive). Aber es gibt ja diese Nebelstunden, wo die Insel tief durchatmet. Spaziergänge im Regen, das Knirschen von nassem Kies unter den Schuhen, Nebelschwaden, die die Küste ins Märchenhafte tauchen. Vielleicht ist das die wahre Kunst beim „Aktivurlaub“ – nicht „mehr erleben“ zu wollen als andere, sondern anders. Die Perspektive zu wechseln, sich Räume zwischen den Postkartensujets zu suchen, die nicht jeder betritt

    Wenn’s um Rügen und Geheimtipps geht, kribbelt’s mir direkt in den Fingern… Also, abseits von Kreideküste und Seebrücke kann man tatsächlich ins Inselinnere abbiegen – im wahrsten Sinne. Ich lande immer wieder in Groß Zicker. Der Ort ist winzig (ein paar reetgedeckte Häuschen, eine Dorfkirche, die nach Wacholder duftet, weil der Wind durch alle Ritzen zieht) und liegt mitten in den Zicker Alpen. Jawohl, Alpen! So nennen die Einheimischen die buckligen Hügel dort. Irgendwo zwischen Schafen, Wind und uraltem Kopfsteinpflaster ist plötzlich alles so… weit, sagt man wohl. Wenn man Glück hat, huscht eine Herde Galloways vorbei, die schauen dich an als hätten sie ein Gedicht über dich geschrieben. Und wenn der Himmel tief hängt, fühlt man sich da fast wie am Rand der Welt.

    Gerade in der Nebensaison (Herbststurm, dicker Wollschal, salzig-nasse Haare) kann man sich da windzerzaust und ziemlich allein fühlen. Wer dann noch den Fußweg hoch zum Bakenberg nimmt, der sieht von oben aus wie so ein winziger Wanderpunkt in einem riesigen Ölgemälde. Tipp: Im Dorf gibt’s eine kleine Backstube mit Kuchen, der so schwer im Magen liegt wie Erinnerungen an Kindergeburtstage. Einmal hab ich da die Zeit vergessen und den letzten Bus verpasst – naja, es gibt schlimmere Orte zum Festhängen. 😅

    Noch so ein verstecktes Ding: die alte Seebrücke bei Dranske. Keiner fährt da freiwillig hin, weil der Wind immer direkt ins Gesicht bläst und der Strand voller angeschwemmtem Tang liegt. Aber gerade das zieht mich an. Da kann man wunderbar ins Leere starren, Möwen kreischen ins Nichts. Da fühlt sich alles rau an, nichts ist geschliffen – und irgendwie ist das der beste Detox für den Kopf.

    Einfach Rügen, so wie’s atmet.

    Ich hab manchmal den Verdacht, die wirklich verrückten Rügen-Momente gehen total unter, weil immer nur dieselben Saison-Highlights genannt werden: Kreidefelsen, Strand, Rapsfelder... aber was ist eigentlich mit den kuriosen kleinen Dingen? Ich erinnere mich, dass es im Spätsommer abends auf den Boddenwiesen ne richtig seltsame Stimmung gibt, wenn Nebel aufzieht und ganz plötzlich irgendwo schräge Geräusche von Wildgänsen und Rehen durch die Luft wabern – fast gruselig und total magisch. Oder wer ist mal absichtlich Anfang November nach Hiddensee rüber, um bei Windstärke acht dem Regen zu trotzen, einfach weil’s was mit Mutprobe zu tun hat?

    Wer morgens kurz vor acht mal im Sassnitzer Hafen einen Kaffee trinkt (aus der Thermoskanne, weil die meisten Buden noch zu sind), merkt schnell: Es gibt Orte, die sind nicht für die große Bühne gemacht, sondern für die Nebenrolle mit Charakter. Ich hab da letztes Jahr diese irre laute Möwe mit einem fehlenden Fuß beobachtet, die trotzdem energisch um die Brötchenreste kämpfte – ziemlich sinnbildlich für Sassnitz. Ein bisschen rau, bisschen abgeblättert, aber sehr lebendig.

    Ich überlege immer, ob man solche Orte nicht gerade dann am meisten fühlt, wenn nicht alles glattgebügelt und perfekt ist. Gibt's hier Leute, die gerade die "unperfekten" Ecken von Rügen genießen und vielleicht einen ganz speziellen Moment in Sassnitz hatten, den sie anderswo nicht erlebt hätten?

    Manchmal frage ich mich, ob Prora nicht wie so ein riesiges Zeit-Fossil wirkt, das plötzlich in die Gegenwart gestolpert ist – ein bisschen wie ein vergessenes Raumschiff am Ostseestrand. Die Länge ist wirklich absurd, falls man mal abends mit der Taschenlampe zurück zur Ferienwohnung läuft, dauert das gefühlt eine Zeitreise. Die Mischung aus Luxus-Appartements, Bäckerei und Doku-Zentrum fühlt sich fast an wie ein kurioses Reallabor fürs Erinnern... und Vergessen zugleich.

    Was für ein Kopfkino… auf einer Insel zu landen, morgens die salzige Luft beim Bäcker in Putbus einzuatmen und nachmittags am Bodden die Füße ins Wasser halten, das klingt schon ziemlich wildromantisch. Bin mir da selbst nicht sicher, ob ich auf Dauer mit dem Inselflair klarkommen würde – so nett ein Sonnenuntergang auch ist, aber wenn der Bus nach 18 Uhr nicht mehr fährt… puh.

    Hat eigentlich einer von euch schon mal so richtig auf Probe gelebt – ich meine, nicht als Tourist, sondern mit Alltagsroutine? Wie lange dauert’s, bis man aus dem „Urlaubsmodus“ raus ist und merkt, ob’s passt? Wäre echt neugierig zu hören, wie (und woran!) ihr entschieden habt, ob Insel oder Festland.
    Nebenbei: Ich hab neulich meine Socken im Kühlschrank gefunden – Rügen-Luft hätte das sicher nicht verhindert. 😅

    Ich bin mal bei Windstärke „Fahrrad fliegt fast weg“ quer durchs Naturschutzgebiet Zicker Berge gefahren – ehrlich gesagt hätte ich auch einfach einen Drachen steigen lassen können, so hat es mich durchgepustet. 😅 Aber mal ehrlich: Diese Hügel dort, das Licht auf dem Bodden … irgendwie fühlt man sich plötzlich ganz klein und gleichzeitig unendlich frei. Ist jetzt vielleicht ne blöde Frage, aber: Gibt es auf Rügen eigentlich eine Strecke, die ihr bei richtig fiesem Wetter trotzdem immer wieder fahren würdet? Oder habt ihr sogar Lieblingsplätze bei Regen, die dann irgendwie ihren ganz eigenen Reiz entfalten? (Hab übrigens letztens das halbe Brötchen auf dem Sattel zerbröselt – hat die Möwen gefreut…)

    Judoxxl und eisbrecher haben uns bereits zu einigen der zauberhaftesten Ecken geführt – der Kreidefelsenweg und die Route über die Schaabe sind wie mit einem Pinselstrich direkt aus dem Atelier der Urgewalten gezeichnet. Doch erst die versteckten Pfade und die Geschichte der Insel verleihen dem Abenteuer den besonderen Reiz.

    Wie wär’s, wenn wir uns abseits der bekannten Wege wagen und die Halbinsel Mönchgut erkunden? Diese Route führt euch durch malerische Fischerdörfer wie Göhren und Thiessow, wo die Zeit in einer ruhigeren Symphonie tickt. Die Dünen und Wälder sind wie ein Mosaik aus sich überlagernden Geschichten – von Wind und Wellen geformt. Hier könnt ihr nicht nur die salzige Meeresluft einatmen, sondern auch den Duft der Kiefern und die Stille der Natur in euch aufnehmen.

    Ihr wollt mehr? Na, dann setzt eure Reise fort bis nach Putgarten und wagt den Aufstieg zum Kap Arkona! Der weite Blick über das Meer, die Leuchttürme und die Klippen – ein Panorama, das euch im Herzen Entrücktheit und Sehnsucht zugleich schenken wird. Diese Strecke ist aufregend und anspruchsvoll, sie fordert euch heraus, eure eigenen Grenzen zu erkennen und sie mit einem Lächeln zu überschreiten. Gerade für Neulinge könnte ein kleiner Tipp nicht schaden: Nehmt euch stets ein wenig Zeit, um die Nuancen der Landschaft zu genießen, bleibt hie und da stehen und lasst die Szenerie auf euch wirken – denn die Reise selbst ist euer Ziel.

    Und denkt daran, dass Radfahren auch ein Akt des Umweltschutzes ist, so wie eisbrecher sagt: Alles wieder mitnehmen, was man mitgebracht hat, denn die Schönheit dieser Orte lebt von ihrer Unberührtheit.