Die Versuchung, einfach alles hinzuschmeißen und sich auf eine Insel wie Rügen abzusetzen, kann ich absolut nachvollziehen (zumal mir neulich jemand in Putbus erzählte, sein Hauptgrund sei das Meeresrauschen und „hier kräht kein Hahn nach meiner schicken Couch“ – das nenne ich mal Prioritäten…). Viele unterschätzen allerdings, wie sehr das Alltagsleben dort eben nicht mit Urlaubsgefühlen gleichzusetzen ist. Das fängt schon damit an, dass Infrastruktur auf Rügen nur in den Touri-Hotspots halbwegs funktioniert. Wer in Lauterbach, Buschvitz oder Garz für schnelles Internet unterschreibt, ist am Ende oft nur ein frustriertes Gesicht im LTE-Nirwana.
Ein leidiges, aber wichtiges Thema ist tatsächlich die Wohnungssuche. Jede Anzeige für eine (halbwegs bezahlbare) Ein-Zimmer-Bleibe ist im Idealfall nach fünf Minuten wieder offline. Ich kann dir nur raten: Rechne damit, weit über deinen Schmerzpreis zu gehen, zumindest in den ersten Jahren. Wohnungen IN Strandnähe? Vergiss es, außer du willst die Wohnung teilen oder hast Beziehungen – und zwar echte, nicht „ich hab mal jemanden im Café getroffen“. Es gibt ganz selten Genossenschaftswohnungen, ja, aber auch da gehörst du als Neuzugang nicht gerade zu den Favoriten. Wer zuerst kommt, mahlt eben nicht immer zuerst… Ein Kumpel (Techniker, jetzt Göhren) hat sich ein Jahr lang mit 26m² und Nachtspeicherheizung abgequält, bevor endlich was Größeres frei wurde – und der hatte schon Lokalbonus, weil er vorher auf Usedom gearbeitet hat.
Zum Job: Physiotherapeut? Wenigstens keine brotlose Kunst. Die Insel altert rasant, und in so ziemlich jeder Reha, Klinik oder bei den niedergelassenen Ärzten brennt die Hütte. Allerdings reicht die Nachfrage alleine nicht – ohne Vorstellungsgespräch vor Ort, möglichst abseits digitaler Kanäle, kommst du meist nicht rein. Viele Arbeitgeber setzen auf „Gesicht zeigen“ und persönlichen Draht, so wie man’s halt auf dem Land kennt. Ich habe den Eindruck, dass auf Rügen vieles einen Tick langsamer abläuft, aber nicht weniger verbindlich, sobald man einmal drin ist.
Mein Tipp: Mach Nägel mit Köpfen, pack alles, was du kannst, ins Auto, miete dich erstmal irgendwo möbliert ein, vielleicht sogar WG oder kurzzeitig Pension (die sind in Nebensaison deutlich günstiger). Dann gehst du direkt vorstellig, sei es Wohnungsgenossenschaft oder potentielle Arbeitgeber. Der erste Kontakt vor Ort wirkt Wunder – gerade, weil viele nur virtuell anklopfen. Ach ja: Unbedingt auf funktionierende Heizung achten. Das Klima wird „milde Brise“ genannt, aber im Winter pfeift der Wind, dass dir selbst die Satzzeichen frieren.