Rugier: Wie viel ist Fakt, was ist Mythos?
Grüße, Jonas
„Mythos und Realität: Die Geschichte der Rugier in Mitteleuropa“
Es gibt 6 Antworten in diesem Thema, welches 580 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (
-
-
-
War neulich bei einer meiner längeren Runden am Nordstrand bei Mukran unterwegs und hab – wie öfter – an dieser alten Bronze-Tafel zum Slawenwall gestanden… und irgendwie passt das auch zu den Rugiern und dem Ganzen um „Mythos und Realität“. Gerade bei den Rugiern frage ich mich oft, wie aus wenig Fundmaterial plötzlich ganze Geschichten gestrickt werden. Ich mein, klar, sie gelten als germanischer Stamm, der es irgendwie vom Odermündungsgebiet bis nach Österreich verschlagen hat (Stichwort Rugiland). Aber mal ehrlich: Was wissen wir denn wirklich, abseits von ein paar Grabfunden und alten römischen Schriftstücken?
Ist vielleicht ’ne blöde Frage, aber es scheint mir, als würden viele heutige Erklärungen über die Rugier echt auf wackligen Beinen stehen. Zum Beispiel gibt es bei uns auf Rügen ja kaum wirklich „handfeste“ archäologische Spuren – viele Namen und Orte klingen nur zufällig ähnlich. Und immer, wenn’s kaum Belege gibt, schlägt dieser Mythos-Trichter voll zu: Angebliche Könige, sagenhafte Auszüge, geheime Verbindungen zu Runen-magie… vielleicht liegt das auch daran, dass gerade Exoten besser im Gedächtnis bleiben. Mir persönlich fällt auf, dass sich vieles bei diesen alten Völkern verwischt, so wie beim Joggen frühmorgens der Nebel über dem Bodden. 😉
Was das alles mit unserer heutigen Identität macht, find ich auch spannend. Ich treff immer wieder Leute (meist Touris, ehrlich gesagt), die mit’m halben Ohr aufm Campingplatz was von Ur-Rügen und Rugierinsel erzählen – und ich frag mich dann, was sie wirklich meinen: suchen sie Geschichte oder eher ein bisschen Heimatzauber? Vielleicht geht’s manchmal mehr um Verbundenheit oder Fantasie, als um Geschichte pur. Und klar, das ist irgendwie auch legitim... aber unterscheiden sollte man schon.
Fazit für mich: Die Grenzlinie von Rugier-Realität zu Rugier-Mythos ist so schwammig wie die Spuren im weichen Sand am Mönchgut, nach einem kräftigen Westwind. Aber gerade das Eigentliche — die Suche nach Wahrheit in Übergangszonen — macht’s für mich so reizvoll, mich immer wieder mit Geschichte zu beschäftigen. Bin gespannt, wie ihr das seht, vllt. hat jemand ja noch neue Funde oder Theorien am Start?
-
Wenn man sich ansieht, wie aus dem Rugier-„Mythos“ immer wieder so ein konfuser Mix aus Sagen, Wasserschemen und angeblich „germanischer Identität“ gebaut wird… da komm ich mir fast veralbert vor. Gerade bei uns hier oben (war letzte Woche auf Rügen, finde ich es witzig, wie gern alle auf die uralten Völker verweisen, ohne wirklich was Greifbares zu haben. Also: Wer weiß denn überhaupt, ob sich das Leben der angeblichen Rugier auf Rügen damals wirklich so krass von den späteren slawischen Bewohnern unterschieden hat? Und mal ehrlich, diese ewige „Musealisierung“ der Vergangenheit – kann man da überhaupt noch was Neues rauslesen, wenn heute überall nur noch an LNG‑Terminals rumgebaut wird und das meiste sowieso plattgemacht wird?
-
Ehrlich gesagt, mich nervt dieser ganze „Rugier-Kult“ auf Rügen gewaltig. Wenn ich sehe, wie aus ein paar Grabbeigaben und windigen römischen Texten plötzlich ein ganzer touristischer Mythos konstruiert wird, pack ich mir an den Kopf. Wie kann man heute noch behaupten, die Geschichte der Rugier sei so klar und präsent, wo tatsächlich fast nichts Handfestes existiert? Das meiste ist doch Wunschdenken, das dann noch schön ausgeschlachtet wird – und am Ende landen wieder Busladungen voller Tagestouristen an „historischen“ Orten, klatschen Selfies in die Luft und lassen ihren Coffee-to-go-Becher im Sand liegen. Sorry, das hat für mich nichts mit „Geschichte erleben“ zu tun, sondern mit Ignoranz und zugemüllten Küsten. 🙄
Sieht man ja gerade am Thema LNG-Terminal in Mukran: Erst wird der Geschichte ein Heiligenschein verpasst, dann wird im nächsten Atemzug ein riesiges Industriebauwerk durchgedrückt, das alles plattmacht, was noch irgendwie authentisch ist. Manchmal frag ich mich echt, wie viel von der „Vergangenheit“ einfach nur Kulisse ist, um die Gegenwart zu rechtfertigen. 🙄
-
Geht mir auch so! Wieviel „Geschichte“ bei den Rugiern hat wirklich Substanz und an welcher Stelle einfach leerer Platz mit Fantasie gefüllt wurde – gerade, wenn man sich die wenigen Funde anschaut. Was mich aber total fasziniert: Wie Technik und moderne Methoden (so Sachen wie LIDAR-Scans oder DNA-Analysen) heute plötzlich Gräber oder Siedlungsreste sichtbar machen, die lange unbekannt waren. Vor ein paar Jahren hat sowas fast wie Science-Fiction geklungen, jetzt ist es Alltag in der Archäologie. Und trotzdem bleibt ein riesiges Fragezeichen, weil die historische Lücke groß bleibt... Ich hab mal irgendwo gelesen, auf Rügen wurde durch so’n Scan tatsächlich ein bislang unbekannter Siedlungshügel gefunden – kann sowas die Sicht auf die Rugier echt nochmal komplett verändern? Oder wird dadurch nur das Loch im Puzzle deutlicher? Irgendwie spannend…
-
-
Wie sehr unser Bild der Rugier uns wohl von der Sehnsucht nach einer „Ursprungs-Identität“ geprägt wird. Wenn ich durch die Granitz stapfe (im Herbst am schönsten), denk ich oft: Ist es nicht viel eher so, dass diese ständigen Zuschreibungen – hier germanisch, da slawisch – oft eher moderne Projektionen sind? Die schriftlichen Quellen aus der Antike sind ja recht vage, die Grabfunde auf Rügen (z.B. bei Lancken-Granitz) schwer direkt zuzuordnen. Es scheint fast unmöglich, den Alltag oder das „Gefühl“ einer rugischen Siedlung nachzuzeichnen – außer, man vermischt Wunschbild und archäologisches Puzzlestück. Daran auch mal die eigene Fantasie zu erwischen, ist irgendwie schon witzig

Jetzt mitmachen!
Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!